Ihr Blick schweifte über die Täler des Südens.
Sie erkannte von hier klein unter ihr Rebental, während ihr die Luft durch das Haar zauste.
Nebel lag über Brückenbühl, das Rauschen des Flusses klang leise zu ihr hinauf.
Der Weg führte weiter über Hornheim, die strohbedeckten Hütten schienen verwahrlost.
Zerfallen vom Sturm der Zeiten.
Etwas weiter Nördlich begannen die welken Bäume Esiriens gen Himmel zu ragen. Ihre Kronen waren
kahlem Geäst gewichen. Die Türme waren vor langer Zeit morsch geworden und teilweise eingebrochen.
Kein Vogel zwitscherte mehr, nur Krähen zogen in kleinen Schwärmen von Kadaver zu Kadaver.
Der Geruch von Blut stieg ihr in die Nase, er trieb ihr die Tränen in die Augen.
Unglaubliche Wut überkam sie. Der Drache unter ihr knurrte, seine Muskeln zuckten. Kalter Rauch
stieg aus seinen Nüstern.
„Bald haben wir es geschafft...“, flüsterte sie vor sich hin.
Ihr Reittier drehte nach Westen ab. Die sonnst so imposante Stadtmauern Äphasurs waren vermoost
und die stolzen Staturen lagen mit dem Gesicht voran im Sumpf, der sich um die Mauern herum
ausgebreitet hatte. Schaudernd ging sie tiefer.
Es roch nach erloschenem Feuer. Ein Feuer das vor langer Zeit gebrannt hatte und vor etlicher
Zeit auch gestorben war.
Was hatten sie nur falsch gemacht?
Müde flog sie auf die Berge im Westen zu. Kahle, graue Dinger, ohne Seele und Leben.
Noch ein letztes Mal wollte sie die goldene Stadt im Nord-Osten überfliegen.
Sie lag in Schutt und Asche. Vor Jahrtausenden hatte es nicht schlimmer ausgesehen.
Ein unglaublicher Schauer überlief sie. Ihr Reittier brüllte ohrenbetäubend auf, als die
goldene Kuppel, unter Fels und Schutt begraben, zum Vorschein kam.
Ihre Seele zog sich zurück. All diese Lebewesen dort unten hatten keinen Bezug mehr zu ihr.
Sie hatten sich von ihnen allen abgewandt. Und nun, nun konnte sie nicht einmal mehr diese
Menschen dort unten spüren. Die Menschen hatten alles zerstört.
Unglaubliche Leere zog in ihr auf. Der Drache bäumte sich unter ihr auf, versuchte Feuer zu
speien. Doch es kam nur kalter Rauch und Asche.
Mit ihrem Blick folgte sie der Asche bis sie auf dem Boden aufkam. Leicht, trudelnd im Wind der Zeit.
Die Letzte Drachenreiterin war nun am Ende.
Ihr Herz wand sich und versuchte sich von dieser unglaublichen Taubheit zu befreien, doch sie
fand nicht mehr zurück.
Mit ihren Händen strich sie über die glatten Schuppen des Drachens und ließ ihn Kurs auf die
Berge nehmen. Dort war das einzigste Eisland gewesen. Nun war es nur noch eine dürre,
ausgetrocknete Wüste.
Tränen überfluteten ihr Gesicht.
Nun war es so weit.
Mit seinen riesigen Schwingen nahm der Drache Kurs auf den höchsten Berg Syrans. Dort setzte er
sich auf den Gipfel. Kalter Wind umwehte sie.
Ihre Lungen füllten sich ein letztes mal mit dieser kalten, frischen Luft. Der Luft Syrans.
Dann wurde es still. Der Wind verschwand, die Welt bestand nur noch aus Stille. Es war ein großes
unglaubliches Nichts.
Der Drache atmete zum letzten Mal heiße Asche aus. Dann hielt er inne.
Ein letztes Mal sah sie sich um, ließ ihren Blick über die kalte Landschaft vor ihr gleiten.
Das helle Licht am Horizont explodierte ein letztes Mal vor ihren Augen. Müde setzte sich sich
hin und lehnte sich an ihren Gefährten.
Nun starb sie, ihre Heimat. Ihre Seele. Ihr Geist. Ihr ganzes Sein.
Es blieb nichts mehr zurück....
© Avellana